DAS NEUE ALTE EUROPA

Das Flugzeug von Madrid-Barajas ist auf die Minute pünktlich in Genf gelandet. Im Restaurantabteil des Zuges nach Bern sitzt ein älterer Mann neben Adelheid und mir. Nach dem zweiten Bier das dritte schon tüchtig angetrunken, findet er den Mut, uns anzusprechen.

So, ich sei in Spanien gewesen; ja das sei sicher schön gewesen.

Ja, er sei auch oft im Süden. Mit seiner Frau habe er ein Haus am Mittelmeer, an der Côte d’Azur. Weitgehend selbst gebaut, oder zumindest die Arbeiten selbst geleitet. Ja , viele Jahre seien dafür nötig gewesen.

Jetzt baue er einen Wintergarten, damit seine Frau und er auch an kälteren und windigen Tagen draussen sitzen können. Sonst sei es schon sehr unangenehm, mit diesem Westwind, dem Mistral.

Und seine Frau, die liebe die Blumen; sie habe sich einen traumhaften Garten angelegt, besonders Lilien liebe sie, und Rosen natürlich. Ja, das sei ein richtiges kleines Paradies.

Alle paar Monate sässen sie im Flugzeug und flögen dorthin, vor allem ausserhalb der Hauptsaison, versteht sich. Sie wollen lieber nicht dort sein, wenn alle Touristen kommen und alle Strassen voll seien.

Aber es sei schon verrückt, wie sich das Klima in den letzten Jahren verändert habe. Diese Trockenperioden, und diese Hitze, bereits im Frühling, das habe es früher so nicht gegeben. Ja, wo man hinkäme, wenn es so weitergehe.

Der grosse Vorteil sei, dass mit der Trockenheit die Mücken zurückgehen. Das sei schon eine Plage, vor allem diese Tigermücken, die auch am Tag stechen; die sehe man gar nicht, man könne sich kaum davor schützen. Er habe den Behörden dort schon Vorschläge gemacht, wie man sie bekämpfen könnte, mit Öl zum Beispiel, daran blieben sie kleben; aber man könne sich ja vorstellen: passiert sei nichts.

 

Ich habe nicht gesagt, sie sollen noch ein bisschen öfter hin und her fliegen, dann gehe es mit der Klimaveränderung inklusive Trockenheit schneller voran und das Problem löse sich dann von selbst. Ich wollte ja nicht unhöflich sein. Deswegen habe ich nur gefragt, wo sie denn in der Schweiz wohnen würden.

Im Kanton Zürich, hat er gesagt (den genauen Ort verrate ich jetzt aus Gründen des Persönlichkeitsschutzes nicht). Ja die Schweiz sei zum Arbeiten und Wohnen schon gut, sehr angenehm; aber eben, dort unten sei es schon etwas Anderes.

Ich habe nicht gefragt, wo er denn nach dem ersten Schlaganfall ins Spital eingeliefert werden möchte – in der Schweiz oder dort unten – ich wollte ja nicht indiskret sein. So habe auch nicht gefragt, wo er schliesslich begraben werden möchte. Ich habe nur gedacht, ja, das ist jetzt etwas für meinen Blog. Ist denn das das neue alte Europa? Im Norden schuften, Geld anhäufen, sich im schönen – aber trägen? – Süden das eigene Paradies einrichten, und hin und her jetten (Generation EasyJet)? Die neuen Alten, mit viel Geld und viel Zeit, als neues globales Umweltproblem?

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