Projekte

Aktuelle Projekte


Konrad Fleck, Flore und Blanscheflur. Text – Übersetzung – Kommentar
Beschreibung

Ergänzend zur „großen“ kritischen Ausgabe von ‚Flore und Blanscheflur‘ wird eine Studienausgabe für den Gebrauch im akademischen Unterricht erarbeitet, die den Zugang zum mittelhochdeutschen Text durch eine beigegebene neuhochdeutsche Übersetzung und einen ausführlichen Stellenkommentar erleichtert. Publikation geplant für die Reihe ‚De Gruyter Texte‘.


Text, Textgeschichte und Textkritik des ‚Eneasromans‘ Heinrichs von Veldeke in komparatistischer Perspektive. Mit kritischer Edition der Rezension *HEh und Digitaledition sämtlicher Textzeugen
Beschreibung

Der um 1184/90 vollendete ‚Eneasroman‘ Heinrichs von Veldeke zählt zu den bedeutendsten literarischen Zeugen einer sich im 12. Jahrhundert neu etablierenden höfischen Literatur im deutschsprachigen Raum. Als Begründer einer wirkmächtigen Gattungstradition ist er auch aus kulturhistorischer Perspektive ein Wende- und Angelpunkt der deutschsprachigen Literatur des Mittelalters. Wie viele höfische Romane liegt indes auch der ‚Eneasroman‘ Heinrichs von Veldeke nur in veralteten Ausgaben vor, die gegenwärtigen wissenschaftlichen Anforderungen nicht mehr genügen können und von denen zudem keine die bis heute bekannt gewordene Überlieferung des Textes vollständig auswerten konnte. Die projektierte Neuedition wird einen kritischen Text des ‚Eneasromans‘ nach den mitteldeutschen Handschriften HE (unter Berücksichtigung von h) und mit vollständigem Apparat der gesamten bekannten Überlieferung bieten. Die konventionelle Buchausgabe wird durch ein Digitalangebot ergänzt, das Volltranskriptionen aller erhaltenen Textzeugen in synoptischer Ansicht ermöglicht und mit den Handschriftenfaksimiles verbindet.


Der Turnierheld und die Heilige. ‚Pierre de Provence‘ und ‚Die schöne Magelone‘ in kulturhistorischen Formationen des französischen und deutschen Sprachraums
Beschreibung

Die geplante Monographie gilt dem Roman von Pierre de Provence und der Schönen Magelone, der als wohl erfolgreichsten „Longseller“ des Spätmittelalters die Literaturen fast aller europäischen Sprachen bis weit in die Neuzeit durchzieht. Die Untersuchung vollzieht die Entstehung und Verbreitung des Romans in Frankreich und Deutschland im 15./ 16. Jahrhundert nach. Ein erster Teil ist der Tradition des Textes auf französischem Boden seit der Mitte des 15. Jahrhundert gewidmet; er diskutiert die Interessen, welche die Entstehung der ältesten Fassung B bedingten und entwickelt eine neue These zur Herausbildung der einflussreichen Redaktion C, welche als Bearbeitung durch eine Lyoner Druckoffizin identifiziert wird. Weitere Kapitel gelten zwei unabhängig voneinander entstandenen deutschen Übersetzungen des späten 15. und des 16. Jahrhunderts; dabei wird besonders die Übertragung Veit Warbecks (1527) im Kontext der frankophilen Kultur am sächsischen Kurfürstenhof beleuchtet, in dessen Bibliothek sich auch mehrere Exemplare der französischen Fassung nachweisen lassen. Untersucht werden zudem die besonderen Umständen der erfolgreichen Druckausgabe von Warbecks Übersetzung durch den Luther-Vertrauten Georg Spalatin im Kontext der Reformation in Sachsen, welche die intensive Rezeption des Romans in Nord- und Osteuropa erst bedingte. Schließlich wird die geplante Monographie die erste Edition einer bisher wenig beachteten Kurzfassung des Romans der enthalten, die ein deutschsprachiger Angehöriger des Kurfürstenhofs zu sprachdidaktischen Zwecken in französischer Sprache erarbeitete und mit lateinischen Glossen versah.

Siehe unten: Bücher und Identitäten. Literarische Reproduktionskulturen der Vormoderne



Abgeschlossene Projekte

Diagrammatisches Erzählen
Beschreibung

Erzählen ist eine grundlegende kognitive Fähigkeit des Menschen. Ihr liegt das Vermögen zugrunde, faktuale oder fiktionale Ereignisse in eine Ordnungsstruktur zu überführen, dabei deren Aufnahme und Verarbeitung durch spätere Rezipienten vorauszusehen und die intendierte Erkenntnis im Text anzulegen. Im Erzählvorgang interferieren so zwei komplexe, aufeinander bezogene mentale Prozesse. Sichtbar allerdings werden allenfalls deren Resultate: auf der einen Seite die durch Analyseverfahren potentiell erfassbaren Ordnungsstrukturen eines narrativen Textes; auf der anderen die etwa durch Rezeptionszeugnisse möglicherweise erkennbaren Gegenstücke dieser Ordnung in ihrer vermittelten Form. Schon die jeweils zugrundeliegenden mentalen Prozesse des Ordnens im Erzählen und des Ordnens in der Erfassung von Erzähltem sind dagegen empirisch nicht greifbar, wenn auch durch kognitionstheoretische Modelle immerhin beschreibbar. Das verbindende Moment beider Prozesse aber, das das Entstehen von Narration als formalem Vermittlungsprinzip überhaupt erst bedingt, bleibt Leerstelle im Modell. Das Projekt operiert an dieser Stelle mit einem Abstraktum: dem Diagramm, verstanden als „Medium des Denkens“ im semiotischen Sinne. Sie überträgt Ansätze der Diagrammatik als einer Wissenschaft von der (sinnlich-visuellen) Veranschaulichung des Abstrakten, von der räumlichen Medialisierung des Mentalen auf die artifizielle Konfiguration von Narration. Gezielt wird dabei auch die räumlich-dimensionale Struktur des Repräsentationsmodells in seiner konkreten Form genutzt. Zugrunde liegt die Annahme einer (quasi-)räumlichen Struktur von Narration, die von der zeitlichen Struktur der Sprache als Erzählmedium zu trennen ist und die zugleich von der – in der europäischen Literatur erst seit der jüngeren Neuzeit gültigen – ästhetischen Konvention verdeckt wird, eine zeitliche Struktur erzählter Handlung zu simulieren. Diese Voraussetzungen führen unter unterschiedlichen medialen und historischen Bedingungen zu ganz verschiedenen Erscheinungsformen narrativer Strukturierung und Strukturwahrnehmung. Dies wird an einem gestuften Verlaufsprozess in der deutschsprachigen Literatur vom 13. bis ins 16. Jahrhundert nachvollzogen und für die spätmittelalterliche, weltliche und geistliche Erzählliteratur vor allem des 14. Jahrhunderts vertieft.


Bücher und Identitäten. Literarische Reproduktionskulturen der Vormoderne (mit Eckart Conrad Lutz)
Beschreibung

Die Materialitätsforschung der letzten Jahrzehnte hat den Blick vermehrt auf die Bedeutung des Buches als Objekt gelenkt. Das Forschungsvorhaben schliesst hier an, setzt aber einen neuen Akzent durch die Erweiterung der Perspektive auf die Gesamtheit des historisch-situativ gefassten Reproduktionsprozesses, in dessen Zentrum das vormoderne Buch als greifbarer Bündelungs- und Brechungspunkt steht. Bei der (Re-)Produktion eines Textes im Buchkörper verdichten sich historisch konkrete Gegebenheiten und Interessen, kulturelle Vorstellungen und literarische Diskurse, die den Produzenten räumlich-zeitlich begrenzt umgeben und beeinflussen; sie werden im Vorgang der Text- und Buchwerdung aufgenommen, gebrochen und im Hinblick auf die intendierte Rezeption transformiert. In diesem Prozess spielt die Identität des Produzenten eine zentrale Rolle. Hinsichtlich der Rezeption des so gestalteten Textes erlaubt die prozesshafte Perspektive die Differenzierung zweier Aspekte, die den Reproduktionsvorgang auf unterschiedliche Weise prägen. Einerseits beeinflussen die vom Autor erwartete und intendierte Rezeption seines Werks, sein Wissen oder seine Annahmen über die Erwartungshorizonte möglicher Rezipienten, bereits im Schaffensprozess die Faktur des Buches; andererseits wirkt das Buch im Sinne des klassischen Rezeptionsbegriffs in seiner so geschaffenen, situativ bedingten und zugleich historisch einmaligen materiellen Gestalt bei seiner Aufnahme durch die jeweiligen historischen Rezipienten wiederum auf seine Umgebung zurück. Diese medialen Prozesse können, müssen aber nicht der Intention des Produzenten entsprechen. So schafft das Buch durch den Produzenten bewusst inszenierte bzw. sekundär aktualisierte Anschlussstellen für die individuelle, kollektive und institutionelle Identitätsbildung wechselnder Rezipienten. Die so gefassten literarischen Reproduktionskulturen werden im Projekt anhand von fünf prägnanten Fallbeispielen über eine breite historische Zeitspanne vom 14. bis zum Beginn des 17. Jh.s analysiert.


Konrad Fleck, Flore und Blanscheflur. Text und Untersuchungen
Beschreibung

Der mittelhochdeutsche Roman ‚Flore und Blanscheflur‘, nur durch Angaben Rudolfs von Ems mit dem Namen eines ansonsten unbekannten Autors Konrad Fleck verbunden, erfreut sich in der germanistischen Mediävistik etwa seit Mitte der 1990er Jahre zunehmender Beliebtheit. Davor aber lag nahezu ein ganzes Jahrhundert, das 20., in dem das Fach den schwierig überlieferten, gattungsgeschichtlich problematischen und poetisch ungewöhnlichen Roman kaum beachtete. Die besonderen Probleme des ‚Flore‘ können eine so distanzierte Position kaum erklären – viel eher dürfte sie ihre Ursache darin haben, wie das 19. Jahrhundert diese Probleme teils ungelöst hinterlassen, teils effektiv verdeckt hatte. Eine mit der Neuedition verbundene umfangreiche Untersuchung wertet die vorliegenden Daten zu ‚Flore und Blanscheflur‘ grundlegend neu aus und recherchiert weitere. Nahezu alle aus dem 19. Jahrhundert bis in die Gegenwart ungeprüft transportierten Handbuchangaben zu Roman und Autor – Datierung, Lokalisierung, Gattungszuordnung, intertextuelle Verbindungen – erweisen sich als ungesichert und fragwürdig. Die Untersuchung zeigt wissenschaftsgeschichtliche Konflikte auf, die zur Entstehung und Kodifizierung solcher Angaben führten und unterbreitet Neuvorschläge, unter denen vor allem der Hinweis auf die – nicht zu belegende, doch wahrscheinlichere – Frühdatierung des Romans in die Jahre um 1200 weitreichende literarhistoriographische Konsequenzen hat. Wichtigstes Ergebnis des Projekts aber ist mit der erstmals alle Überlieferungszeugen gemeinsam auswertenden kritischen Neuedition des Romans die Erstellung eines transparenten und benutzbaren Arbeitstextes. Er ersetzt die 1846 entstandene, schon von den Zeitgenossen wegen ihrer rigiden Konjekturalkritik vorsichtig aufgenommene editio princeps (Sommer), deren – durch besondere Umstände ihrer Entstehung bedingte – Schwierigkeiten durch einen verbreiteten unkritischen Nachdruck von 1898 (Golther) den Romantext noch für die Gegenwartsforschung vielfach verstellen. Wie schon die ältere Edition Sommers folgt auch die Neuausgabe als Leithandschrift der Heidelberger Handschrift (H) aus dem 15. Jahrhundert, für die nun eine vergleichsweise alte und gute Vorlage wahrscheinlich gemacht werden kann, und ergänzt ihren Text nötigenfalls durch die auf der gleichen Vorlage beruhende Berliner Schwesternhandschrift (B). Die älteren Fragmente (F, P) werden diesem Textzustand im synoptischen Abdruck beigegeben. Eine grundsätzliche editorische Entscheidung besteht darin, den an vielen Stellen erheblich gestört überlieferten Text zwar einerseits in Form eines diplomatischen Abdrucks der Heidelberger Handschrift zu dokumentieren, ihn aber andererseits durch Emendation und Konjektur lesbar zu machen. Da die französische Vorlage, ‚Floire et Blancheflor‘, in der Form, in der sie Konrad Fleck vorgelegen haben muss, nicht erhalten ist, ist dabei auch zu editorischen Zwecken ein komparatistisches Vorgehen geboten und die Position des deutschen Romans im dichten Netz der europäischen Fassungen des Stoffs zu bestimmen. Drei altfranzösische, eine mittelniederländische und eine altspanische Fassung stehen über die verlorene Vorlage in indirekter Verbindung mit Konrad Flecks ‚Flore und Blanscheflur‘ und werfen, wie auch eine frühneuhochdeutsche Prosaauflösung des mittelhochdeutschen Textes, wiederholt Licht auf schwierige Stellen der Überlieferung.